FilmReview zu THE GRUDGE

Was machen Filmproduzenten am liebsten, wenn mal wieder Ideen für innovative Horrorfilme fehlen? Richtig: Sie gehen einkaufen, vorzugsweise in Asien. So haben es schon zahlreiche Remakes asiatischer Gruselstreifen wie THE RING, DARK WATER oder JU-ON: THE GRUDGE auf westliche Kinoleinwände geschafft. Letzterer brachte seit 2004 bereits zwei Fortsetzungen hervor. Nun folgt mit THE GRUDGE ein Reboot, das dem Franchise um den wahrgewordenen Albtraum jeden Friseurs ein frisches Umstyling verpassen soll. Ob sie auch die Spiegelprobe übersteht, erfahrt Ihr in meinem Review. 

Drei Monate nach dem Tod ihres Mannes zieht Detective Muldoon (Andrea Riseborough) mitsamt Sohn Burke in einen verschlafenen Vorort, um dort einen Neuanfang zu wagen. Doch als sie nähere Recherchen über einen tödlichen Autounfall anstellt, stößt Muldoon auf ein schreckliches Geheimnis: Ein grausamer Fluch sucht alle heim, die das Haus der Familie Landers betreten – und Muldoons Nachforschungen führen sie direkt dorthin. 

Der japanische Regisseur Takashi Shimizu gilt als Urvater der JU-ON-Reihe, die 2000 mit JU-ON: THE CURSE seinen Anfang nahm. Innerhalb kürzester Zeit fand der Film um die rachsüchtigen Geister Kayako und Toshio immer mehr begeisterte Gruselfans und etablierte sich zur Erfolgsmarke. Daher ist es nicht verwunderlich, dass noch sieben weitere japanische Filme (inklusive des 2016er Crossovers SADAKO VS. KAYAKO mit dem RING-Franchise), eine Manga-Adaption und sogar eine Origins-Serie auf Netflix folgten. Nach dem Erfolg der westlichen Adaption von THE RING 2002 an den Kinokassen gingen viele Produktionsstudios auf Einkaufstour im asiatischen Filmmarkt und versuchten mit Remakes wie DARK WATER (2005) oder MIRRORS (2008) noch mehr profitables Filmmaterial auf die andere Seite des Pazifik zu holen. Ähnlich ging auch Ghost House Pictures vor, deren Gründer niemand geringeres als die EVIL DEAD-Erfinder Sam Raimi und Rob Tapert sind. Und anders als ihre Konkurrenten landeten sie 2004 mit dem Remake zu JU-ON: THE GRUDGE einen echten Kassenschlager. Takashi Shimizu führte sogar selbst Regie bei der Neuinterpretation und war auch bei den beiden Nachfolgern als Regisseur oder zumindest Produzent beteiligt. Nach dem blutigen Kult-Remake EVIL DEAD (2013) und dem innovativen Stille-Schocker DON´T BREATHE (2016) kramte Ghost House nun nach elf Jahren ihr einstiges japanisches Erfolgsfranchise wieder hervor und präsentiert mit THE GRUDGE das lang geplante Reboot mit neuen Ansätzen. Aber kommen J-Horrorfans in den knapp 90 Minuten Laufzeit auf ihre Kosten?

Spoiler: Nein, kommen sie nicht. Und dabei hat THE GRUDGE einige ambitionierte Ansätze zu bieten: Mit Nachwuchsregisseur Nicolas Pesce nahm ein talentierter Filmemacher auf dem Regiestuhl Platz, der mit seinem Erstlingswerk THE EYES OF MY MOTHER von 2016 große Wellen im Independent-Milieu schlug. Der 30-jährige New Yorker outete sich schnell als Fan von Shimizus Werken, wollte dem ausgelutschten Franchise jedoch eine frische Note verpassen. So verlagerte er nicht nur die Geschichte um das verfluchte Haus von Japan in die USA, sondern strich auch die bisherigen Spukgestalten Kayako und Toshio bis auf einen kurzen Gastauftritt komplett heraus. Dieser gewagte Schritt stellt sich schnell als eine der größten Schwächen heraus. Anstatt der weiß geschminkten Hausgeister wandeln nun die blutüberströmten Körper der Familie Landers (Mutter, Vater, Tochter) durch ihr ehemaliges Wohnhaus und verfluchen jeden Besucher, Detective Muldoon inklusive. Doch die Spukeinlagen bleiben enttäuschend blass und lieblos inszeniert. Insbesondere die härtere Gangart mit abgetrennten Gliedmaßen beim Karottenschneiden und zerplatzenden Körpern beim Sturz im Kliniktreppenhaus wirken durch übermäßigen Einsatz mittelklassiger CGI-Effekte einfach nur irritierend statt verstörend. Auf bedrohliche Atmosphäre wird weitestgehend verzichtet, stattdessen hat Pesce tief in der Jump-Scare-Kiste gegraben und haut dem Zuschauer eine 08/15-Szene nach der anderen um die Ohren. Spätestens nach dem gefühlt fünften Einsatz des klassischen „unscharfe Silhouette gleitet im Hintergrund vorbei“-Effekts innerhalb der ersten 30 Minuten vergeht dem Zuschauer schnell die Lust am Film.

Auch die Rahmenhandlung und die Figuren tragen nicht gerade zu einem gelungenen Filmerlebnis bei. Die Verlagerung des Grudge-Fluches erfolgt absolut willkürlich und abrupt abgehandelt, nämlich lediglich durch eine Texteinblendung zu Filmbeginn und zwei Sätze eines verfluchten Polizisten in der Mitte des Films. Die Handlung besteht aus mehreren Zeitlinien verschiedener Protagonisten, die im Haus der Landers mit dem Fluch in Kontakt kamen. Diese werden jedoch parallel erzählt, sodass die erste Filmhälfte einschläfernd langweilig und die zweite stark überladen mit Geisterszenen ist und so jeder Spannungsbogen im Keim erstickt wird. Die Figuren wirken nie nahbar, selbst Andrea Riseborough als Detective Muldoon bleibt in ihrer Doppelrolle als Polizistin und alleinerziehende Mutter sehr blass und kratzt nur an der dramaturgischen Oberfläche. Anstatt den Tod des Vaters und die familiären Probleme zwischen Mutter und Sohn stärker einzubinden und so einen emotionalen Bezug zu den Beiden herzustellen, verschwindet der Sohn kurz nach Beginn fast komplett aus dem Handlungsstrang. Erst, als ein Polizeikollege Muldoon darauf anspricht, ob sie nicht einen Sohn zuhause habe und deshalb die Arbeit mal ruhen lassen soll, fällt dem Zuschauer wieder ein: Stimmt, da war ja was! Die restlichen Personen sind ebenso flach geschrieben und dienen nur als Opfer für den nächsten Jump-Scare. Selbst die Grande Dame des Horrorfilms Lin Shaye bekommt als demente Verstecken-Spielerin nur wenig vorzeigbare Screentime gewidmet, wobei ihre Szenen noch zu den stärksten zählen.