FilmReview zu PINOCCHIO

Meine bescheidene Meinung: 

Das Märchen von der frechen Holzpuppe namens Pinocchio dürfte wohl jedem bekannt sein. Wenn es auch eine italienisch verwurzelte Geschichte ist, kennt ihn jeder, die anderen skurrilen Figuren sind wohl nur wirklich den Italienern ein wahrer Begriff. Mit der Marionette konnte ich noch nie etwas anfangen, das hat aber Gründe pädagogischer Natur und ist nicht der Figur an sich geschuldet. Aber dazu mehr in meinem Review. 

Der sehr talentierte, aber bettelarme Tischler Geppetto (Roberto Bengini) hat es nicht gerade leicht im Leben. Ständig bestimmen Hunger und Kälte sein armes Leben und seinen bedauernswerten Alltag. Dennoch ist Geppetto ein wahrer Lebemann und beschließt eines Tages, sich eine Marionette zu schnitzen. Die schönste auf der Welt soll es werden. Da das Holz, welches er verwendet, ein verzaubertes Holzstück zu sein scheint, sogar mit Herzschlag, erwacht die Puppe schon bald zu echtem Leben. Geppetto könnte nicht glücklicher sein und will Pinocchio (Federico Ielapi), so tauft er seinen Holz-Sohn, von nun an großziehen. Doch die junge Marionette hat ihren ganz eigenen Kopf und schon bald manövriert sich Pinocchio in große Schwierigkeiten und ist weit weg von Zuhause. Der liebevoll sorgende Vater macht sich daher gleich auf, seinen Sohn zu suchen, bis ans Ende der Welt, wenn es sein muss. Bis sich Vater und Sohn wieder in die Arme fallen können, muss Pinocchio noch so einige Abenteuer und Lektionen überstehen. Doch sein größter Wunsch wäre es, ein echter Junge aus Fleisch und Blut zu werden…

Der Oscar-Preisträger Roberto Benigni, der 2002 selbst die Rolle des Pinocchio spielte und auch inszenierte, glänzt diesmal als ärmlicher Tischler und fürsorglich liebevoller Puppenvater Geppetto. Basierend auf dem weltberühmten Kinder-Roman von Carlo Collodi erschuf Regisseur Matteo Garrone seine ganz eigene Interpretation, auch wenn er sich ganz nah an der Vorlage orientiert.

Der Kinderbuchklassiker ist dennoch alles andere als kindgerecht gestaltet oder inszeniert, so ist der Stoff eher etwas für Erwachsene. So jedenfalls meine Meinung.

Matteo Garrones Version ist durchaus anders als die bereits erschienenen oder die angekündigten Produktionen, nicht so detailverliebt oder naiv-verliebt wie z.B in Roberto Benginis PINOCCHIO oder aber auch wie ein Guillermo del Toro (HELLBOY), der einen sehr düsteren Holzpuppenfilm ankündigte. 

Inszenatorisch geht Garrone da andere Wege und findet eine durchaus gelungene Mischung aus kindlicher Naivität und grausigem Märchenalltag. Und Matteo Garrone ist mittlerweile ein Wiederholungstäter, was Märchenfilme angeht, schließlich geht auch der nicht minder skurrile DAS MÄRCHEN DER MÄRCHEN auf sein Filmschaffenden-Konto. Dort streute er schon immer wieder deftige Gewaltspitzen ein, sodass das Märchen alles andere als kinderfreundlich war. So, nun wieder zu PINOCCHIO - den Bildern wohnt immer eine gewisse Albtraumhaftigkeit inne, wie auch schon in der schriftlichen Vorlage. Düster, surreal und voller dunkelster Pädagogik, das ist eben PINOCCHIO! Die Geschichte, die der Regisseur hier erzählt, ist zum größten Teil bekannt und das Storytelling lässt auch hier, wie in den anderen Verfilmungen, zu wünschen übrig. Denn bei vielen Szenen wirkt PINOCCHIO oft unvollständig und des Öfteren wird zu schnell in ein neues Setting und ein neues Abenteuer gewechselt. 

Der großen Pluspunkte und warum dieses makabere Märchen so einzigartig ist, sind zum Einen die sympathischen Darsteller, allen voran Roberto Benigni, der den Geppetto liebevolles Leben einhaucht und zum Anderen die herausragende optische Wucht. 

Hier könnten sich noch viele Filmemacher etwas abschauen, was mit „altmodischer“ Maskenkunst optisch so alles möglich ist. Denn Garrone verlässt sich hier noch fast ausschließlich auf praktische Effekte, gut ausgearbeitete Prothesen und aufwendiges Make-up.

Egal ob animiert oder Kostüm oder Set, diese unfassbare Detailgenauigkeit und die Liebe zu den Figuren ist jederzeit spürbar. Wenn eine schleimige Schneckenfrau den Raum betritt oder ein Thunfisch mit Menschengesicht auftaucht, dann ist das nicht nur unfassbar grotesk, sondern auch hervorragend gestaltet. Auch die Ortschaften der fantastischen Welt, die Ruinen, die Dörfer und selbst der Bauch eines Wals, hier stimmt jedes noch so winzige Detail und transportiert den Zuschauer damit in diese skurrile Welt. Garrone erschuf mit seiner reifen und etwas distanzierten Herangehensweise eine beeindruckende, surreale Zwischenwelt, die nur so vor ausbalancierten wie verschrobenen Bildern strotzt. Eingefangen werden diese nahezu perfekt von Kameramann Nicolai Brüels und seiner dynamischen und punktgenauen Arbeit. Doch an den beeindruckenden Bildern haftet, wie bereits erwähnt, immer etwas Albtraumhaftes, welches den ein oder anderen Zuschauer verstören könnte. Das Setting, die komplette Gestaltung ist herausragend detailliert und wunderschön erhaben.

Das macht auch den größten Teil des Charmes und die gelungene Atmosphäre des Films aus. Wenn man die veraltete, pechschwarze und grausame Pädagogik, die dahinter steckt und die etwas zu entsättigten Farben ein bisschen ausblenden kann, dann dürfte einem der neueste PINNOCHIO-Streich durchaus Gefallen bereiten. Doch Vorsicht, der Film ist wirklich nicht für Kinder geeignet. Denn mitsamt den verstörenden Figuren tummeln sich hier auch noch brutalste Lektionen sowie schwarze Pädagogik herum und freie Jugendgestaltung wird hier ebenfalls sehr klein geschrieben.