FilmReview zu RUBEN BRANDT COLLECTOR

„Puh, Zeichentrickfilme. Die sind doch nur für Kinder.“ Animationsfilmen haftet seit Menschengedenken der Ruf an, vorsätzlich für ein jüngeres Publikum konzipiert zu sein. Der ungarische Maler Milorad Krstic wagt mit seinem Trickfilm RUBEN BRANDT ein Experiment, nämlich eine Fusion aus erwachsenem Heist-Movie in Picasso-Optik. Aber kann dieser abstrakte Spagat überzeugen? Meine Rezension verrät es euch.

Der Kunsttherapeut Ruben Brandt leidet unter schrecklichen Albträumen. Figuren aus bekannten Kunstwerken entsteigen nachts ihren Bilderrahmen und lassen ihn schweißgebadet aus dem Schlaf schrecken. Zur Ablenkung vergräbt er sich tagsüber umso mehr in seinen Therapiesitzungen. Unter seinen Patienten sind auch vier bekannte Verbrecher. Bald stoßen sie auf Brandts Geheimnis und bieten ihm ihre Hilfe an: Sie wollen die Kunstwerke stehlen, von denen der Therapeut träumt. Doch nach dem ersten Diebstahl tritt Detektiv Kowalski auf den Plan – denn er jagt den sogenannten „Collector“.

Eine Gruppe von Kriminellen, die den großen Coup landen will und hierbei unbarmherzig von der Polizei gejagt wird – das Grundgerüst jedes Heist-Movies. Seit den 50ern verpassten zahlreiche Filmemacher dem Thriller-Subgenre immer wieder neue Nuancen, darunter Größen wie Hitchcock (ÜBER DEN DÄCHERN VON NIZZA), Tarantino (RESERVOIR DOGS) oder Soderbergh (OCEAN´S ELEVEN). Der Fokus liegt bei einem klassischen Heist auf den Gangstern, die sich hart, aber herzlich die Sympathien der Zuschauer ergaunern. Und natürlich gibt es immer „den größten Coup aller Zeiten“, sei es ein seltener Diamant, ein besonderes Kunstwerk oder einfach ein gigantischer Haufen Schotter. Milorad Krstic hat sich diese Grundzutaten angeeignet und daraus sein eigenes Süppchen gekocht – jedoch nicht auf Wasserbasis, sondern mit Ölfarbe. 

RUBEN BRANDT ist der erste Langtrickfilm des ungarischen Künstlers, doch bereits 1995 gewann sein animierter Kurzfilm MY BABY LEFT ME einen silbernen Berlinale-Bären – mit einem gewagten optischen Ansatz. Die Besonderheit: Krstic ist nicht nur Filmemacher, sondern auch Maler, und daher verwundert es nicht, dass seine Filme wie ein lebendig gewordenes Picasso-Daumenkino aussehen. Dieser Stil ist mehr als gewöhnungsbedürftig, weshalb ich jedem Interessierten vorab die Sichtung des Trailers ans Herz lege. Wer sich jedoch darauf einlässt, wird mit einem einzigartigen Kunstwerk belohnt. Jede Figur und jeder Hintergrund ist sichtlich liebevoll und detailverliebt gestaltet. Krstic baut hier zudem seine eigenen Vorstellungen von gefeierten Kunstwerken wie Botticellis „Venus“ oder Warhols „Doppeltem Elvis“ ein, jedoch mit erkennbarer eigener Handschrift und merklichem Respekt vor den Urhebern. Trotz ihrer unproportionalen Optik verhalten sich die Figuren wie echte Menschen – zumindest meistens. Ein besonderer Twist im Drehbuch stützt sich darauf, dass die Figuren um ihre „Besonderheiten“ wissen und sie so gezielt in die Handlung einfließen lassen. So beispielsweise der besonders füllige und zweiköpfige Bandit Bruno, der im Gegensatz zu seinen Kollegen zweidimensional ist und so ganz einfach durch Türschlitze schlüpfen kann. Auf die Frage, wie er denn mit einer dreidimensionalen Mutter entstehen konnte, antwortet Bruno ganz nüchtern: Mein Vater war ein Strich. 

RUBEN BRANDT hat jedoch nicht nur einen einzigartigen Animationsstil zu bieten, sondern auch eine durchdachte und unterhaltsame Geschichte. Das Quintett um den namensgebenden Kunsttherapeuten etabliert sich spätestens nach der ersten Kunstdiebstahl-Montage als sympathischer Kern des Films – indem sie streiten, scherzen und stehlen. Als Kontrast dient der eifrige Detektiv Kowalski, der die Kunstsammler unnachgiebig um die ganze Welt jagt. Hierbei stößt er auf private Dinge, die eine merkwürdige Verbindung zwischen ihm und Ruben Brandt andeuten. Tiefgängig wird RUBEN BRANDT jedoch nur selten, weshalb der finale Twist zu forciert wirkt und nicht die gewünschte Wirkung entfalten kann. Das surreale Setting nimmt in Rubens Albtraumsequenzen angsteinflößende Ausmaße an, weshalb man zwischen der Filmsichtung und dem nächsten Louvre-Besuch lieber etwas zeitlichen Abstand einplanen sollte. Krstic offenbart sich hier als klarer Heist-Liebhaber, was den geneigten Thriller-Fan mehr als bloß unterhalten dürfte.