FilmReview zu EXORZISMUS 2.0

Menschen tun allerlei komische Dinge, um im Internet Aufmerksamkeit zu erregen. Spätestens seitdem der Influencer den Astronauten bei Kindern als Traumberuf abgelöst hat, vergeht kein Tag ohne eine neue haarsträubende Geschichte aus den Untiefen des World Wide Web. Millionen von Menschen konsumieren tagtäglich diese fragwürdigen Inhalte, ob aus offenkundiger Sensationslust oder heimlicher Neugier. Doch die Grenzen zwischen Moral und Verwerflichkeit verschwimmen immer mehr auf der Suche nach dem ultimativen Kick. Aber ist doch sowieso alles nur Fake, wieso also aufregen… was aber, wenn das Gesehene doch wahr ist und aus Unterhaltung tödlicher Ernst wird?  Der Horrorfilm EXORZISMUS 2.0 greift genau dieses Thema auf. Ob er jedoch ein Upgrade für das angestaubte Subgenre oder bloß eine Mogelpackung ist, erfahrt Ihr in meinem Review. 

Vater Max (Ryan Guzman) ist geweihter Priester und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Besessene von ihren Dämonen zu befreien – live im Internet. Dahinter steckt jedoch lediglich eine Marketingmasche der beiden Filmemacher Max und Drew (Kyle Gallner), die mit aufwendig inszenierten Fake-Exorzismen auf der Jagd nach Klicks und dem großen Internetruhm sind. Doch als das nächste Fake-Opfer und gleichzeitig Drews Verlobte Lane (Alix Angelis) mitten im Livestream Anzeichen für eine echte Besessenheit zeigt, muss die Filmcrew es mit dem wahrhaftigen Bösen aufnehmen – und Millionen von Menschen schauen zu.

Filme über besessene Menschen, ob von Dämonen oder dem Antichrist höchstpersönlich, gibt es zuhauf in der langen Geschichte des Horrorgenres. Bis heute gilt William Friedkins DER EXORZIST von 1973 als DER Exorzismusfilm schlechthin. Durch seine schaurig-provokante Geschichte und den genialen Cast um Linda Blair, Jason Miller und Max von Sydow sorgte der Streifen damals für weltweite Schlagzeilen. Seitdem ritten zahlreiche Studios und Filmemacher auf der Erfolgswelle mit, was bis heute eine ganze Filmflut über fluchende Dämonen und weihwasserspritzende Priester hervorbrachte. Regisseur Damien LeVeck, der bisher lediglich an Fernsehproduktionen mitgewirkt hatte, schuf 2019 mit EXORZISMUS 2.0 (Originaltitel: THE CLEANSING HOUR) seinen eigenen Genre-Beitrag im Gewand der digitalen Neuzeit. Basierend auf seinem gleichnamigen Kurzfilm von 2016, erweitert LeVeck das klischeebehaftete Exorzismus-Universum um einige spannende neue Facetten. Durch die Verlagerung der Geschehnisse in eine zum Filmstudio umfunktionierte Lagerhalle und per Livestream ins Internet kommentiert der Regisseur augenzwinkernd den aktuellen digitalen Zeitgeist. Priester-Merchandise „Vatican Approved“ oder fragwürdige Hashtags lassen den Zuschauer immer wieder schmunzeln. Doch LeVeck kann auch Horror und schafft es, fast durchgängig Spannung und eine bedrohliche Atmosphäre aufzubauen. Leider setzt EXORZISMUS 2.0 wie bereits andere Genre-Ableger vor ihm zu sehr auf bekannte Filmrezepte, weshalb viele Szenen dem Zuschauer eher wie aufgewärmter Eintopf anstatt abwechslungsreichem Buffet vorkommen. 

EXORZISMUS 2.0 macht jedoch mit überraschend blutiger Gewalt wieder viele Punkte gut. Auch wenn die Effekte nicht immer höchsten CGI-Standards entsprechen, weiß LeVeck genau, wie er seine Zuschauer zum Zusammenzucken bringt. Es wird fleißig verstümmelt, abgefackelt und aufgeschlitzt, literweise Kunstblut inklusive. Die Handlung und die Figuren sind durchweg, bis auf den neuzeitlichen Twist, sehr stereotypisch geschrieben. Insbesondere das Duell zwischen Max und dem Dämon sowie die Offenlegung von Max´ sündhafter Lebensgeschichte zieht sich im letzten Drittel unnötig in die Länge, was der Spannung absolut keinen Gefallen tut. Alix Angelis jedoch entpuppt sich als heimlicher Star von EXORZISMUS 2.0: Ihre Darstellung als Besessene mit anzusehen macht richtig Spaß, vor allem dank des Zusammenspiels aus zynisch-bedrohlicher Mimik und rhythmisch-gelenker Bewegungen (obwohl sie 80 Prozent des Films an einen Stuhl gefesselt ist). Leider büßt der Film durch ein übertrieben twist-lastiges Finale einiges an Potenzial ein, was ihn dann doch nur im oberen Mittelmaß versinken lässt.